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8. Juni 1977: „Der Landschaftsverband Rheinland lädt ein zum ersten Rundgang durch den Archäologischen Park Xanten“

Der auf dem Gelände der alten römischen Stadt Colonia Ulpia Traiana errichtete LVR-Archäologische Park Xanten ist heute das größte archäologische Freilichtmuseum Deutschlands. Seit nunmehr 40 Jahren lädt es Menschen zu einer Reise in die Vergangenheit ein, und macht mit seinen Rekonstruktionsbauten römische Kultur erlebbar. Darüber hinaus verbindet der LVR-Archäologische Park Xanten Bildung mit Forschung, und bietet seinen Besuchern auch einen Einblick in aktive Grabungstätigkeiten und Forschungsprojekte.
Dass das Gelände der ehemaligen Colonia Ulpia Traiana bei Xanten als ein bedeutendes Bodendenkmal geschützt und als Archäologischer Park allen Geschichtsinteressierten offen steht, ist keine Selbstverständlichkeit. Mit der kommunalen Neugliederung 1969 entwickelte die Stadt Xanten Pläne, dieses Areal zu einer Naherholungsstätte mit einer Wassersportanlage umzugestalten.[1] Zudem hatten bereits Industrieansiedelungen nördlich von Xanten zu Eingriffen auf dem antiken Stadtgebiet geführt.[2] Glücklicherweise war die große Bedeutung des Areals in Fachkreisen bekannt. So hatte man bereits 1935/36 das beeindruckende Amphitheater aufgedeckt und vermutete noch etliche unbekannte Überreste der römischen Stadt unter der Erdoberfläche. Daher richtete das Rheinische Landesmuseum Bonn bereits 1957 eine Außenstelle in Xanten ein, in deren Zuständigkeit auch die archäologische Forschung fiel.[3] Die zwischen 1957 und 1963 intensiviert durchgeführten Ausgrabungen der Bodendenkmalpflege in Xanten hatten bereits Erstaunliches zutage gebracht, sodass der damalige Leiter der Xantener Ausgrabungen Dr. Christoph Rüger sofort Protest gegen die Nutzungspläne der Stadt Xanten einlegte.[4]


Sein Appell fruchtete, und alternativ wurde die Idee eines Archäologischen Parks in Xanten entwickelt, dessen Grundstein mit der Vertragsunterzeichnung am 25. Oktober 1973 zwischen dem Landschaftsverband Rheinland und dem Zweckverband „Grunderwerb Colonia Ulpia Traiana“ gelegt wurde.[5] Das Land Nordrhein-Westfalen unterstützte dieses Projekt mit dem hohen finanziellen Beitrag von ca. 10 Millionen DM.[6]
Zu diesem Zeitpunkt war von der ehemals 73 ha großen römischen Stadtanlage erst wenig auf dem Gebiet des zukünftigen Parks freigelegt.[7] Doch wusste man aufgrund von kleineren Untersuchungen und Luftbildmessungen bereits, welche archäologischen Überreste sich noch im Erdreich verbargen. Somit gab es bis zur Öffnung des Parks für Besucher noch viel zu tun. In den folgenden vier Jahren wurden nicht nur beeindruckende römische Stadtanlagen, wie die Torbauten, der Hafenkomplex und Privatbebauungen ausgegraben, konserviert und teilrekonstruiert, auch wurde das Gelände besuchergerecht gestaltet. Die Konzeption dahinter war ein „sich wandelnder Park“, der „einen ständigen Einblick in die Arbeit der Archäologen vermittelt“[8]. Bereits vor der Eröffnung des Parks konnte man einzelne archäologische Fundstücke in dem 1974 als Außenstelle des Rheinischen Landesmuseums neu errichteten Xantener Regionalmuseum bewundern.


Am 8. Juni 1977 war es schließlich soweit und der Archäologische Park Xanten konnte offiziell eröffnet werden. „Bei der Festlegung dieses Termins wurden [bereits im März] gute Witterungsbedingungen in den nächsten Monaten unterstellt.“[9] Der Festtag begann um 10:30 Uhr mit einem römischen Fanfarensignal von Bläsern in Legionärs-Uniformen auf originalen Instrumenten, zu dem führende Persönlichkeiten der rheinischen Politik, Kultur und Kirche eingeladen waren.[10] Am Nachmittag öffnete der Park endlich auch für die Bevölkerung, die in den vergangenen vier Jahren interessiert den Grabungsfortschritt vor Xanten beobachtet hatte. Am folgenden Tag als erstem regulären Eröffnungstag wurde der Archäologische Park Xanten regelrecht überrannt. Mehr als 12.000 Menschen nutzten den Fronleichnamsfeiertag und besichtigten den neuen Park. Mit so großem Interesse hatte man nicht gerechnet, und so waren beispielsweise die Kassen völlig unterbesetzt. Doch man reagierte flexibel und setzte spontan weiteres Kassenpersonal ein, „ausnahmslos Mitarbeiter des Landschaftsverbandes und deren Ehefrauen, die zum Besuch des Parks nach Xanten gekommen waren und auf der Stelle ‚dienstverpflichtet‘ wurden.“[11] Der Praxistest brachte noch weitere Erfahrungen mit sich. Die angebotene römische Zwiebelsuppe war schon am frühen Vormittag ausverkauft, der Park sah am Tagesende aufgrund fehlender Mülleimer entsprechend aus, und einige Autos blieben im weichen Boden des Parkplatzes stecken.


Doch neben diesen anfänglichen infrastrukturellen Problemen, war der Überenthusiasmus mancher Besucher die größte Überraschung für die Parkleitung. Einige Besucher waren mit „Hacke und Spaten erschienen [… und mussten] daran gehindert werden, das noch nicht archäologisch untersuchte Gelände auf eigene Faust umzuwühlen.“[12] Im Bericht zum ersten Eröffnungstag des Archäologischen Parks Xanten ist unter Besondere Vorkommnisse etwas fassungslos vermerkt: „Mitgenommen wurde alles, was nicht niet- und nagelfest ist.“[13] In den kommenden Wochen wurden jedoch fast täglich größere und kleinere Veränderungen im Park vorgenommen, um mit oft sehr kreativen Lösungen einen reibungslosen Alltagsbetrieb zu bieten. Zudem pendelten sich die Besucherzahlen auf ein noch immer recht hohes Niveau von täglich 500 Personen am Wochenende ein. Bereits in der zweiten Juli-Hälfte konnte man den 100.000sten Besucher begrüßen. Das Interesse an dieser einzigartigen Ausstellung hielt an, und im Jahr 1978 besuchten fast eine viertel Million Menschen den Archäologischen Park Xanten,[14] der sich bis heute zu einer festen Kulturgröße im Rheinland und deutschlandweit entwickelt hat.

Bearbeitung: Dr. Riccarda Henkel


[1] Vgl. Arie Nabrings: Kultur als kommunale Aufgabe. Entstehung und Aufbau von Kultureinrichtungen im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert. In: Adel, Reformation und Stadt am Niederrhein. Festschrift für Leo Peters. Studien zur Regionalgeschichte, Bd. 23. Bielefeld 2009, S. 319 f.
[2] Vgl. Gundolf Precht: Der Archäologische Park Xanten Planungsgrundlagen (1974). In: Landschaftsverband Rheinland (Hg.): Colonia Ulpia Traiana. 1. und 2. Arbeitsbericht zu den Grabungen und Rekonstruktionen. Köln 1978, S. 5.
[3] Vgl. Der Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland (Hg.): Der Landschaftsverband Rheinland. Ein Handbuch mit dem Bericht der Verwaltung über den Zeitraum von der Gründung bis zum 31. März 1958. Köln [ca. 1959], S. 225.
[4] Pressemitteilung des LVR 9/120 Mai ‘77 zur feierlichen Eröffnung des Archäologischen Parks Xanten. In: ALVR, Bestand 9 LVR - Kulturabteilung des LVR, Fachbereiche Kultur und Umweltschutz, Nr. 32723.
[5] Der Zweckverband wurde durch die Stadt Xanten und den damaligen Kreis Moers (der spätere Kreis Wesel) gegründet um die notwendigen Grundstücke für die Ausgrabungen zu erwerben. Vgl. Ebenda.
[6] Vgl. Arie Nabrings: Kultur als kommunale Aufgabe. Entstehung und Aufbau von Kultureinrichtungen im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert, S. 319 f.
[7] Vgl. Gundolf Precht: Der Archäologische Park Xanten Planungsgrundlagen (1974), S. 6.
[8] Vgl. Ebenda.
[9] Schreiben von Hans Rudolf Hartung vom 25. März 1977 mit Terminankündigung. In: ALVR, Bestand 9 LVR - Kulturabteilung des LVR, Fachbereiche Kultur und Umweltschutz, Nr. 32723.
[10] Vgl. Pressemitteilung des LVR 9/133 Juni ‘77 zur feierlichen Eröffnung des Archäologischen Parks Xanten. In: ALVR, Bestand 9 LVR - Kulturabteilung des LVR, Fachbereiche Kultur und Umweltschutz, Nr. 32723.
[11] Bericht von Hans Rudolf Hartung vom 10. Juni 1977. In: ALVR, Bestand 9 LVR - Kulturabteilung des LVR, Fachbereiche Kultur und Umweltschutz, Nr. 32723.
[12] Pressemitteilung des LVR 9/136 Juni ‘77 zur feierlichen Eröffnung des Archäologischen Parks Xanten. In: ALVR, Bestand 9 LVR - Kulturabteilung des LVR, Fachbereiche Kultur und Umweltschutz, Nr. 32723.
[13] Bericht von Hans Rudolf Hartung vom 10. Juni 1977. In: ALVR, Bestand 9 LVR - Kulturabteilung des LVR, Fachbereiche Kultur und Umweltschutz, Nr. 32723.
[14] 1977 zählte der Archäologische Park Xanten 175.441 und im Jahr 1978 246.735 Besucher. Vgl. Der Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland (Hg.): Leistung in Zahlen 1970-1980. Köln 1981, S. 228.

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Weiterführende Quellen und Literatur

• Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland, Bestand Archivalien des Archäologischen Parks Xanten; Online unter: Link zum Findbuch

• Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland, Bestand LVR - Kulturabteilung des LVR, Fachbereiche Kultur und Umweltschutz, Nr. 32723.

• Arie Nabrings: Kultur als kommunale Aufgabe. Entstehung und Aufbau von Kultureinrichtungen im Rheinland im 19. und 20. Jahrhundert. In: Adel, Reformation und Stadt am Niederrhein. Festschrift für Leo Peters. Studien zur Regionalgeschichte, Bd. 23. Bielefeld 2009, S. 299 - 330.

• Der Direktor des Landschaftsverbandes Rheinland (Hg.): Leistung in Zahlen 1970-1980. Köln 1981.

• Gundolf Precht: Der Archäologische Park Xanten Planungsgrundlagen (1974). In: Landschaftsverband Rheinland (Hg.): Colonia Ulpia Traiana. 1. und 2. Arbeitsbericht zu den Grabungen und Rekonstruktionen. Köln 1978, S. 5-6.

• Website des Archäologischen Parks Xanten; online unter: Link zur Website

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